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Das Menschenrechtszentrum CDHEC

CDHEC -Centro de Direitos Humanos, Educacao e Cidadania in Fortaleza, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Ceará

Aktuelle Situation und Vorgeschichte

Die Arbeit des Zentrums für Menschenrechte, Erziehung und Bürgerrecht CDHEC (ausgesprochen Sedecki) in Pirambu, einem riesigen Armutsviertel von Fortaleza, besteht seit 2002. Nach schwierigen Jahren mit wechselnden Mietverhältnissen verfügt es seit 2007 über ein eigenes Haus, das Dank Misereor und anderer Solidaritätsgruppen gekauft werden konnte. Es ist mit seinem Menschenrechtsbüro eine stark frequentierte Anlaufstation für alle Arten von Konfliktsituationen, sowohl im juristischen als auch im sozialen Bereich. Die Bandbreite der Nöte und Delikte ist groß in einem Stadtviertel, das geprägt ist von hoher Arbeitslosigkeit, ärmlichen Wohn- und Lebensverhältnissen und allgegenwärtiger Gewalt. Viele der Hilfesuchenden sind Jugendliche, die die Koordinatorin Olga do Nascimento wie folgt beschreibt

Schild am Eingang der Organisation

„Die Jugendlichen, die bei uns Hilfe suchen, stehen im Allgemeinen in Konflikt  mit sich selbst, mit den Menschen ihres Umfelds, mit ihrer Familie. Oftmals kommen sie aus zerrütteten Familien, die Eltern sind arbeitslos, haben sich getrennt, so dass sie anderswo Unterschlupf finden mussten. Viele leben unter äußerst belastenden Wohnverhältnissen, leiden unter  psychischem Druck, unter Hunger, Krankheiten, und jeder Art von Mangel. Die Folge sind Fernbleiben von der Schule, Herumlungern auf der Straße, Verwicklung in die Drogenszene, eigener Drogenkonsum, kleinere und größere Diebstähle, schmerzvolle Erfahrungen mit der Polizei, etc.“

Olga genießt ihr volles Vertrauen wie auch das der anderen Rat- und Hilfesuchenden, denn sie kennt die vielfältigen Schwierigkeiten der Menschen, die sie aufsuchen, aus eigener Erfahrung und Betroffenheit, da sie seit vielen Jahren selbst in diesem Stadtteil lebt und in ihm auch unter schwierigsten Bedingungen ihre vier inzwischen erwachsenen Kinder großgezogen hat. Sie hat sich trotz der eigenen Belastungen stets für und mit anderen für Verbesserungen engagiert, wobei sie zunehmend auf die Problematik der verschiedenen Jugendbanden ihres Wohngebiets aufmerksam wurde und ihre spezielle Gabe und Aufgabe darin erkannte, diesen Jugendlichen beizustehen. Sie suchte ihren Kontakt, vor allem den der Bandenführer, ging immer wieder nachts zu ihren Treffpunkten auf der Straße, um mit ihnen zu reden und herauszufinden, was eine lockende Perspektive für sie darstellen könnte. Dies führte 2002 zur Gründung von CDHEC und der Entwicklung des Programms „Option für das Leben“, das den Wünschen der Jugendlichen entsprechend zunächst mit Kursen in Rap, Breakdance und Grafiti begann,. den drei Hauptelementen der so genannten Straßenkultur. Diese aus den USA kommende Protestbewegung vor allem schwarzer Randgruppen, auch Hip Hop Bewegung genannt, übte große Faszination auf die Jugendlichen aus. Sie waren alle Fans der bekannten Musikgruppe „Racionais“ und wollten es ihnen nachtun und ihre eigenen Ausdrucksmöglichkeiten erproben. Die ersten Kurse begannen mit zunächst 30 Jugendlichen aus vier verschiedenen Banden, die sich bereit erklärt hatten, ihre Rivalitäten, zumindest innerhalb des Projekts, aufzugeben.

„Um wieder Hoffnung spüren zu können, muss der von der Gesellschaft verachtete Jugendliche sich angenommen fühlen. Nur durch den freundschaftlichen Blick eines anderen wird er sich langsam als Person, die etwas wert ist, wiederentdecken, fähig zu positivem Handeln. Er braucht jemanden, der ihm zuhört, seine Schmerzen und  Bedürfnisse wahrnimmt und seine wirklichen Wünschen erkennt. Dieses Zuhören erfordert viel Zeit und Geduld, denn er hat Angst, aus sich herauszugehen und vertraut sich nicht jedem Beliebigen an. Er muss spüren, dass der andere nicht nur nicht richtet, sondern ihn in seiner ganzen Tiefe versteht.“

Olga do Nascimento

Olga berät einen Jugendlichen

Heute nehmen ca. 160 Jugendliche beiderlei Geschlechts an den Angeboten des Zentrums teil. Sie gehören aber keinen Jugendbanden mehr an, da diese sich in dem betreffenden Stadtgebiet weitgehend aufgelöst haben. Die Hauptattraktion bilden Kurse in Folkloretänzen, die jeweils mit Gesprächsrunden über verschiedene Themen wie Sexualität, Verhütung, Drogenkonsum, friedliche Konfliktbewältigung, Schule, Fortbildung, etc. beginnen und den Jugendlichen helfen, sich als Gruppe mit gemeinsamem Anliegen zu empfinden. Schulbesuch ist für alle Beteiligten der Kurse obligatorisch.
Von Zeit zu Zeit werden in oder außerhalb des Hauses berufsbildende Kurse angeboten oder vermittelt, wenn eine günstige Partnerschaft dafür gewonnen werden kann. 2009 nahmen 10 Jugendliche an einem Computergrundkurs teil, den eine befreundete Organisation anbot.

Die bisherige Bilanz der Arbeit in Stichworten

  • Selbstwertgefühl, soziales Verhalten und schulische Leistungen der Jugendlichen haben sich bemerkenswert verbessert.
  • Nicht wenige haben nach Absolvierung von Weiterbildungskursen Arbeit gefunden und eigene Familien gegründet.
  • Jugendliche Straftäter wurden durch Intervention von Olga do Nascimento auf Bewährung entlassen, nachdem CDHEC ihnen eine Arbeit vermittelt und zugesagt hat, sie weiterhin zu begleiten.
  • Andere sind auf dem Weg, mit Hilfe der ambulanten Entzugseinrichtung CAPS von ihrer Drogenabhängigkeit wegzukommen, was auch für ihre oftmals total überforderten und verzweifelten Angehörigen eine enorme Erleichterung bedeutet.
  • Das Ansehen der Institution ist durch die aktive Mitarbeit der Koordinatorin im Bürgerrat der Staatsanwaltschaft und in verschiedenen Bürgergremien, ihre Teilnahme an Seminaren und Fortbildungen zu einschlägigen Themen sowie durch ihre Vortragstätigkeit an der Universität und an Schulen sehr gestiegen.

Faktoren, die die Arbeit erschweren

  • Die finanzielle Ausstattung liegt unter den eigentlich nötigen Erfordernissen. Sie deckt nur die Bezahlung des fünfköpfigen Mitarbeiterteams und die Kosten für Wasser, Strom, Telefon und Internet, die dazu oftmals höher liegen als im Budget veranschlagt. Für Transportkosten, bei der Rechtsberatung anfallende Kosten, nötige Reparaturen, etc. sind nur viel zu geringe Beträge vorgesehen.
  • Es wäre dringend nötig, einen Rechtsanwalt und einen Psychologen bezahlen zu können und nicht von Fall zu Fall ehrenamtlichen Beistand suchen zu müssen.
  • Zu den erschwerenden äußeren Faktoren gehört auch, dass es trotz aller Forderungen und Kampagnen einschlägiger Gruppen wie CDHEC und andere noch immer keine kostenlose stationäre Einrichtung für den Entzug von Drogenabhängigen gibt, die den Großteil der Hilfesuchenden bildet, sondern nur die ambulante Einrichtung CAPS, die in vielen Fällen einfach nicht genügt.
  • Ein weiterer Faktor zusätzlicher Belastung für die MitarbeiterInnen ist die eigene Gefährdung, die vor allem davon ausgeht, dass das Menschenrechtsbüro in Fällen von Misshandlung Jugendlicher, ob im Gefängnis oder auf der Straße, diese denunziert und dadurch die Wut der betroffenen Verantwortlichen hervorruft.
  • Dass es gelegentlich auch mit den Jugendlichen selbst, die zu Kursen ins Haus kommen, Probleme gibt, ist auf dem Hintergrund ihrer Lebensumstände nicht verwunderlich. Nur durch das zuvor aufgebaute Vertrauen ist es möglich, mit extremen Situationen fertig zu werden, z.B. wenn ein Jugendlicher einen anderen mit der Waffe in der Hand bedroht, um einen Konflikt auszutragen. Auch Diebstähle kommen immer wieder mal vor.
  • Zusätzliche Probleme wurden und werden noch immer durch gravierende Mängel am Haus verursacht, die beim Kauf nicht erkannt worden waren. Sie betreffen vor allem das Wasser- und Abwassersystem, die Elektrik sowie den Dachstuhl und andere beim Bau verwendete Hölzer, die vom Holzwurm Cupim befallen sind. Bis heute sind nicht alle Mängel behoben, obwohl schon viel Geld investiert wurde.

Einbindung des Menschenrechtszentrum in größere Zusammenhänge

Die Vorgeschichte und Entwicklung der Projektarbeit erklärt, dass Olga do Nascimento nicht nur das volle Vertrauen der Rat- und Hilfesuchenden genießt, sondern zunehmend auch der entsprechenden Behörden und Einrichtungen, des Jugendrichters und der Staatsanwaltschaft, dessen Bürgerrat sie angehört. Obwohl sie zu ihrem großen Bedauern nie Jura studieren konnte, hat sie sich doch durch die langjährige Praxis und viele Fortbildungen ein hohes juristisches Wissen erworben, was dazu führte, dass sie 2009 zur Vorsitzenden eines neu gegründeten Bürgerrats zu rechtlichen und sozialen Fragen gewählt wurde sowie Ende des Jahres in den Vorstand einer Bürgerinitiative, die sich in einem nahe liegenden Konfliktgebiet gebildet hat, in dem der Drogenhandel blüht. Der Umstand, dass sie seit vielen Jahren mit dem betreffenden Umfeld bestens vertraut ist, viele der Jugendlichen und Kinder, die als Boten benutzt werden, kennt, etc, macht sie wie wenige geeignet, als Vermittlerin zu dienen und Strategien der Befriedung zu entwickeln.

Grundlage der Finanzierung

Bei Projektbeginn 2002 kamen die nötigen Gelder zunächst vor allem von der Brasilieninitiative Erlangen-Nürnberg, die seit Jahren Initiativen im Projektgebiet unterstützt. Sie wurden ergänzt durch einen in Fortaleza selbst entstandenen internationalen Freundeskreis, der für zwei Jahre die Miete garantierte. 2006 konnte Misereor dazu gewonnen werden, zunächst nur für die Unterstützung beim Kauf des Hauses, dann aber auch für die direkte Projektunterstützung in Partnerschaft mit der Brasilieninitiative Erlangen-Nürnberg. Ein 3-Jahresvertrag garantierte die Hälfte der laufenden Geamtkosten für eine gewisse Grundabsicherung der Arbeit, d.h. ca. 700 € pro Monat. Er wurde 2009 für weitere 3 Jahre verlängert, nur ist der Partner seit Januar 2010 die Brasilieninitiative Freiburg. Der übernommene Spenderkreis ermöglicht die Fortführung der Unterstützung, deckt aber nicht die volle Höhe der monatlichen Verpflichtungen, die bisher bei 650 € lagen, aber wegen des niedrigen Umtauschkurses dringend angehoben werden müssten. So sind nach wie vor besondere Anstrengungen nötig, das fehlende Geld aufzutreiben.
Allen, die mithelfen wollen, das Projekt zu unterstützen, schon im Voraus ganz herzlichen Dank!

Annemarie Jacobs begleitet dieses Projekt. Sie ist seit Beginn der Arbeit von CDHEC die Kontaktperson nach Deutschland. Sie hat selbst längere Zeit in Fortaleza gelebt und steht in ständigem Kontakt mit den Projektpartnern. Im März 2009 war sie erneut vier Wochen lang dort, um die aktuelle Situation der Arbeit in ihren vielfältigen Aspekten und Kontakten zu begleiten. Sie ist gerne bereit, auf Anfragen hin weitere Informationen zu erteilen. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Ende 2011 stellte CDHEC ihre eigenständige Arbeit ein und integrierte sich in das in Fortaleza bestehende Projekt Emaus.